
Hallo zusammen, ein Mitglied des Keingärtnervereins KGV Sorgenfrei hat die Gelegenheit genutzt, die Ausstellung ÜBERN ZAUN - Gärten und Menschen im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu besuchen.
Hier ein paar Eindrücke wiedergegeben:
Denken wir an Gärten, so denken wir in erster Linie an Freizeit und Erholung in der Natur, an Freiheit und Selbstverwirklichung. Doch dienen die Grünflächen auch anderen Zwecken: Wer gärtnert, zeigt sein Können, seinen Geschmack, seinen ökonomischen und sozialen Status. So wird der Garten zum Spiegel von Identitäten. Er unterliegt darüber hinaus gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Das zeigt sich gerade in Kleingärten, Hausgärten und Gemeinschaftsgärten. Welche sozialen Funktionen haben diese Gartenformen? Und welche historischen Traditionen und politischen Rahmenbedingungen prägten sie? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die neue Wechselausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Neue Wechselausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig von Daniel Kosthorst.


Übern Zaun – Gärten und
Menschen
von Yvonne Fiedler
Wie stellen sich private Gärtnerinnen und Gärtner auf den Klimawandel, knapper werdende Energieressourcen, schwindende Artenvielfalt und andere Herausforderungen der Zukunft ein? Das wollte das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig im Vorfeld der Wechselausstellung „Übern Zaun – Gärten und Menschen“ wissen. Gemeinsam mit dem Verein Ökologe – Umweltbund Leipzig und der Redaktion von MDR Garten sowie mit Unterstützung der Leipziger Volkszeitung rief es im Sommer 2024 dazu auf, kreative Lösungen in Form eines Videoclips oder einer Fotogeschichte einzusenden. Ziel war es, die überzeugendsten Praxistipps in der Wechselausstellung zu präsentieren und Besucherinnen und Besucher zum Nachahmen zu inspirieren.

Nutzen – Kleingärten in Deutschland
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Gärten Überlebenshilfe. In den zerstörten deutschen Städten boten Kleingärten provisorische Unterkunft und Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Besonders in Berlin wirkte sich schon bald die deutsche Teilung aus: Nach dem Mauerbau im August 1961 konnten viele Pächterinnen und Pächter ihre Gärten im jeweils anderen Teil der Stadt nicht mehr erreichen. In Ost-Berlin gerieten direkt an der Mauer gelegene Gartenanlagen in das Grenzgebiet und durften nur noch mit Sonderregelungen genutzt werden.
Kleingärten in der DDR
In der 1949 gegründeten DDR sah das SED-Regime in den
Gartenkolonien anfänglich nur ein Relikt der angeblich
überholten bürgerlichen Gesellschaftsordnung.
So waren in „Stalinstadt“, dem 1961 in „Eisenhüttenstadt“
umbenannten sozialistischen Vorzeigeprojekt, zunächst gar keine
Kleingärten vorgesehen. Stattdessen sollte ein kollektiv
bewirtschaftetes „Zentrum der Gartenkultur“
entstehen. Doch die Menschen verlangten nach ihren gewohnten
Erholungsmöglichkeiten und schufen sich ihre Gartenparzellen
ungeplant außerhalb der Stadtgrenzen.
Die SED passte ihren Kurs an. 1959 ließ sie die Gründung der
zentralen Massenorganisation des
„Verbands der Kleingärtner, Siedler und
Kleintierzüchter“ (VKSK) zu, der fortan
sowohl die Überwachung als auch die Unterstützung der Vereine
übernahm. Seit Mitte der 1970er
Jahre wurde der Obst- und Gemüseanbau ausdrücklich zur
Ergänzung der oft begrenzten staatlichen Versorgung
gefördert.
1989 gab es in der DDR rund 852.000 Kleingärten. Vielen
Familien dienten sie in den Sommermonaten als zweiter Wohnsitz
für das Wochenende. In den Anlagen entstanden soziale Bindungen
durch Kontaktnetze und Tauschgemeinschaften. Gemeinsame
Arbeitseinsätze, Gartenfeste und Kulturveranstaltungen
schufen zusätzlichen Zusammenhalt, allerdings auch soziale
Kontrolle.
Kleingärten in der Bundesrepublik
In Westdeutschland verloren die
Pachtgärten im „Wirtschaftswunder“
rasch an Bedeutung. Als in
den 1970er Jahren die Schattenseiten des modernen
Massenwohnungsbaus unübersehbar wurden, setzte eine neue
Nachfrage nach Kleingärten ein. Die veränderte soziale
Zusammensetzung repräsentierte den Wandel der Gesellschaft:
Nicht mehr Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern Angestellte
sowie Beamtinnen und Beamte
pachteten nun mehrheitlich. Bald kamen
Migrantinnen und Migranten hinzu, die oft
eigene Traditionen des Gärtnerns einbrachten.
Trotz aller Unterschiede wurden
Kleingärten sowohl in der DDR als auch in der
Bundesrepublik vor allem als „eigenes Reich“ privater Freiräume
empfunden. Dekorationen wie Wagenräder oder Gartenzwerge zeugen
bis heute von einem gemeinsamen Reservoir typischer
Gestaltungsformen. Allerdings gehen inzwischen auf dem Land
vielen Vereinen die Mitglieder verloren.
Dagegen übersteigt in den Großstädten
die Nachfrage das Angebot. Nicht zuletzt während
der Corona-Pandemie entdeckten gerade junge Familien die
Kleingärten als Rückzugsräume.

Eine Nation der Gartenzwerge? Die Zipfelmützenträger gelten vielen als typisch deutsche Erfindung und Liebhaberei, obwohl sie auch in anderen Ländern bekannt sind. Den SED-Funktionären sind sie ideologisch suspekt, sie dulden sie nur als „Devisenbringer“ im Export. Doch Fans in Ost und West schätzen die Figuren und stellen sie gerade in Kleingärten gerne auf.


Rollenverteilung
Helmut Schmidt, Bundeskanzler
Helmut Schmidt, Bundeskanzler von 1974 bis 1982 und seine Frau
Loki im Garten ihres Ferienhauses.
Die Aufgabenverteilung
entspricht dem Klischee: Der Mann mäht den Rasen.

Zeigen – Der Traum vom Haus mit Garten
Das eigene Haus ist ein Lebensziel, das die meisten
Deutschen seit den 1950er Jahren teilen. Alle westdeutschen
Regierungen förderten den privaten Bau von Eigenheimen.
Staatliche Zuschüsse ermöglichten
Millionen Menschen den sozialen Aufstieg zu
Hauseigentümerinnen bzw. -eigentümern. In der DDR erhielten nur
ausgewählte Teile der Bevölkerung eine Förderung, die zudem
stark von Eigenleistungen abhängig gemacht wurde. Bis 1989
entstanden rund 250.000 Eigenheime, die meisten davon abseits
großer Städte. Wem das eigene Haus verwehrt blieb, der
verwirklichte seinen Traum ersatzweise mit einer „Datsche“ –
im Russischen ein Sommerhaus – auf einem zumeist
gepachteten Wochenendgrundstück.
Heute existieren in Deutschland rund 16 Millionen Eigenheime. Für viele Menschen ist die Wunschvorstellung von einem guten Leben unverändert mit dieser Wohnform verknüpft. Doch der Ressourcenverbrauch des Einfamilienhauses mit Garten, das sich jede Generation von Neuem wünscht, steht den Erfordernissen des Klimawandels entgegen.
Funktion
Mit der Karikatur für das Magazin „Eulenspiegel“ „Der hat den
Garten wohl bloß zu seinem Vergnügen?“ nimmt Heinz Behling die
SED-Funktionäre aufs Korn Ihre Kampagne soll 1976 die Erträge
steigern,um den Mangel an Obst und Gemüse zu lindern
Kleingarten sollen helfen, die Regale zu füllen. Seit 1977 sind
sie aber auch Naherholungsgebiete
ihre Anlagen und Gaststätten stehen allen offen.
Begrenzter
Freiraum
Einen Kleingarten zu nutzen, verbindet Selbstbestimmung und
kollektive Verpflichtungen
- private Hobbys und Gartenarbeit auf der einen, Aufgaben im
Verein auf der anderen Seite: Versammlungen, Arbeitseinsätze,
Feste.


Kleingärten im geteilten
Berlin
von Anne Meinzenbach
Bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht die Entstehung der Berliner Kleingärten. Ursprünglich als Antwort auf die sozialen und ökonomischen Herausforderungen der Industrialisierung gedacht, dienten die Gartenkolonien der Selbstversorgung mit Obst und Gemüse und boten die Möglichkeit, der Enge der urbanen Wohnverhältnisse zu entfliehen. Auch während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit blieben die Gärten unverzichtbar für die Lebensmittelversorgung der Stadtbevölkerung. Mit dem Bau der Berliner Mauer trat jedoch eine tiefgreifende Veränderung ein, die die Kleingärten zu symbolischen Orten der deutschen Teilung machte.

„Zeige mir deinen
Garten,
wenn es dein eigener
ist,
und ich werde dir
sagen,
was für ein Mensch du
bist.“
Alfred Austin, britischer Schriftsteller und Gartenphilosoph, 1907
Weitere Eindrücke können im museums magazin 2025 unter www.museumsmagazin.com
nachgelesen
oder als Download heruntergeladen werden.