Die Natur in Deinen Händen

ÜBERN ZAUN - Gärten und Menschen


Ausstellung 

Hallo zusammen, ein Mitglied des Keingärtnervereins KGV Sorgenfrei hat die Gelegenheit genutzt, die Ausstellung ÜBERN ZAUN - Gärten und Menschen im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu besuchen.

Hier ein paar Eindrücke wiedergegeben:

 

Denken wir an Gärten, so denken wir in erster Linie an Freizeit und Erholung in der Natur, an Freiheit und Selbstverwirklichung. Doch dienen die Grünflächen auch anderen Zwecken: Wer gärtnert, zeigt sein Können, seinen Geschmack, seinen ökonomischen und sozialen Status. So wird der Garten zum Spiegel von Identitäten. Er unterliegt darüber hinaus gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Das zeigt sich gerade in Kleingärten, Hausgärten und Gemeinschaftsgärten. Welche sozialen Funktionen haben diese Gartenformen? Und welche historischen Traditionen und politischen Rahmenbedingungen prägten sie? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die neue Wechselausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Neue Wechselausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig von Daniel Kosthorst.

Ein vertrautes Bild aus Gemeinschaftsprojekten: Im „Initiativgarten“ in Berlin-Kreuzberg treffen sich Aktive 2011 zum gemeinsamen Gärtnern im Rahmen des Festivals „Über Lebenskunst“.

Übern Zaun – Gärten und Menschen
von Yvonne Fiedler

Wie stellen sich private Gärtnerinnen und Gärtner auf den Klimawandel, knapper werdende Energieressourcen, schwindende Artenvielfalt und andere Herausforderungen der Zukunft ein? Das wollte das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig im Vorfeld der Wechselausstellung „Übern Zaun – Gärten und Menschen“ wissen. Gemeinsam mit dem Verein Ökologe – Umweltbund Leipzig und der Redaktion von MDR Garten sowie mit Unterstützung der Leipziger Volkszeitung rief es im Sommer 2024 dazu auf, kreative Lösungen in Form eines Videoclips oder einer Fotogeschichte einzusenden. Ziel war es, die überzeugendsten Praxistipps in der Wechselausstellung zu präsentieren und Besucherinnen und Besucher zum Nachahmen zu inspirieren.

Im Hintergrund das im Krieg stark beschädigte Reichstagsgebäude: In der
unmittelbaren Nachkriegszeit fällen die Menschen die restlichen im Tiergarten
stehenden Bäume, um Heizmaterial zu gewinnen. Auf den freien Flächen legen sie
Gemüsebeete an.

Nutzen – Kleingärten in Deutschland

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Gärten Überlebenshilfe. In den zerstörten deutschen Städten boten  Kleingärten provisorische Unterkunft und Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Besonders in Berlin wirkte sich schon bald die deutsche Teilung aus: Nach dem Mauerbau im August 1961 konnten viele Pächterinnen und Pächter ihre Gärten im jeweils anderen Teil der Stadt nicht mehr erreichen. In Ost-Berlin gerieten direkt an der Mauer gelegene Gartenanlagen in das Grenzgebiet und durften nur noch mit Sonderregelungen genutzt werden.

Kleingärten in der DDR

In der 1949 gegründeten DDR sah das SED-Regime in den Gartenkolonien anfänglich nur ein Relikt der angeblich  überholten  bürgerlichen  Gesellschaftsordnung. So waren in „Stalinstadt“, dem 1961 in „Eisenhüttenstadt“ umbenannten sozialistischen Vorzeigeprojekt, zunächst gar keine Kleingärten vorgesehen. Stattdessen sollte ein kollektiv  bewirtschaftetes  „Zentrum  der Gartenkultur“ entstehen. Doch die Menschen verlangten nach ihren gewohnten Erholungsmöglichkeiten und schufen sich ihre Gartenparzellen ungeplant außerhalb der Stadtgrenzen. 
Die SED passte ihren Kurs an. 1959 ließ sie die Gründung der  zentralen  Massenorganisation  des  „Verbands  der Kleingärtner,  Siedler  und  Kleintierzüchter“  (VKSK)  zu, der fortan sowohl die Überwachung als auch die Unterstützung der Vereine übernahm. Seit Mitte der 1970er 
Jahre wurde der Obst- und Gemüseanbau ausdrücklich zur Ergänzung der oft begrenzten staatlichen Versorgung gefördert.
1989 gab es in der DDR rund 852.000 Kleingärten. Vielen Familien dienten sie in den Sommermonaten als zweiter Wohnsitz für das Wochenende. In den Anlagen entstanden soziale Bindungen durch Kontaktnetze und Tauschgemeinschaften.  Gemeinsame  Arbeitseinsätze, Gartenfeste und Kulturveranstaltungen schufen zusätzlichen Zusammenhalt, allerdings auch soziale Kontrolle. 

Kleingärten in der Bundesrepublik

In  Westdeutschland  verloren  die  Pachtgärten  im  „Wirtschaftswunder“  rasch  an  Bedeutung.  Als  in  den 1970er Jahren die Schattenseiten des modernen Massenwohnungsbaus unübersehbar wurden, setzte eine neue Nachfrage nach Kleingärten ein. Die veränderte soziale Zusammensetzung repräsentierte den Wandel der Gesellschaft: Nicht mehr Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern Angestellte  sowie  Beamtinnen  und  Beamte  pachteten nun  mehrheitlich.  Bald  kamen  Migrantinnen  und  Migranten hinzu, die oft eigene Traditionen des Gärtnerns einbrachten.
Trotz  aller  Unterschiede  wurden  Kleingärten  sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik vor allem als „eigenes Reich“ privater Freiräume empfunden. Dekorationen wie Wagenräder oder Gartenzwerge zeugen bis heute von einem gemeinsamen Reservoir typischer Gestaltungsformen. Allerdings gehen inzwischen auf dem Land vielen Vereinen die Mitglieder verloren. 
Dagegen  übersteigt  in  den  Großstädten  die  Nachfrage das Angebot. Nicht zuletzt während der Corona-Pandemie entdeckten gerade junge Familien die Kleingärten als Rückzugsräume.

Eine Nation der Gartenzwerge? Die Zipfelmützenträger gelten vielen als typisch deutsche Erfindung und Liebhaberei, obwohl sie auch in anderen Ländern bekannt sind. Den SED-Funktionären sind sie ideologisch suspekt, sie dulden sie nur als „Devisenbringer“ im Export. Doch Fans in Ost und West schätzen die Figuren und stellen sie gerade in Kleingärten gerne auf

 

Rollenverteilung
Helmut Schmidt, Bundeskanzler Helmut Schmidt, Bundeskanzler von 1974 bis 1982 und seine Frau Loki im Garten ihres Ferienhauses.
Die Aufgabenverteilung entspricht dem Klischee: Der Mann mäht den Rasen.

Zeigen – Der Traum vom Haus mit Garten

Das eigene Haus ist ein Lebensziel, das die meisten
Deutschen seit den 1950er Jahren teilen. Alle westdeutschen Regierungen förderten den privaten Bau von Eigenheimen.  Staatliche  Zuschüsse  ermöglichten  Millionen Menschen den sozialen Aufstieg zu Hauseigentümerinnen bzw. -eigentümern. In der DDR erhielten nur ausgewählte Teile der Bevölkerung eine Förderung, die zudem stark von Eigenleistungen abhängig gemacht wurde. Bis 1989 entstanden rund 250.000 Eigenheime, die meisten davon abseits großer Städte. Wem das eigene Haus verwehrt blieb, der verwirklichte seinen Traum ersatzweise mit einer „Datsche“ –  im Russischen ein Sommerhaus – auf einem zumeist gepachteten Wochenendgrundstück.

Heute  existieren  in  Deutschland  rund  16  Millionen Eigenheime. Für viele Menschen ist die Wunschvorstellung von einem guten Leben unverändert mit dieser Wohnform verknüpft. Doch der Ressourcenverbrauch des Einfamilienhauses mit Garten, das sich jede Generation von Neuem wünscht, steht den Erfordernissen des Klimawandels entgegen.

Funktion
Mit der Karikatur für das Magazin „Eulenspiegel“ „Der hat den Garten wohl bloß zu seinem Vergnügen?“ nimmt Heinz Behling die SED-Funktionäre aufs Korn Ihre Kampagne soll 1976 die Erträge steigern,um den Mangel an Obst und Gemüse zu lindern Kleingarten sollen helfen, die Regale zu füllen. Seit 1977 sind sie aber auch Naherholungsgebiete
ihre Anlagen und Gaststätten stehen allen offen.

Begrenzter Freiraum
Einen Kleingarten zu nutzen, verbindet Selbstbestimmung und kollektive Verpflichtungen
- private Hobbys und Gartenarbeit auf der einen, Aufgaben im Verein auf der anderen Seite: Versammlungen, Arbeitseinsätze, Feste.

Die West-Berliner Pächterinnen und Pächter der Kolonien „Fichtewiese“ und „Erlengrund“ erreichen ihre Gärten nur durch die Sperranlagen.

Kleingärten im geteilten Berlin
von Anne Meinzenbach

Bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht die Entstehung der Berliner Kleingärten. Ursprünglich als Antwort auf die sozialen und ökonomischen Herausforderungen der Industrialisierung gedacht, dienten die Gartenkolonien der Selbstversorgung mit Obst und Gemüse und boten die Möglichkeit, der Enge der urbanen Wohnverhältnisse zu entfliehen. Auch während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit blieben die Gärten unverzichtbar für die Lebensmittelversorgung der Stadtbevölkerung. Mit dem Bau der Berliner Mauer trat jedoch eine tiefgreifende Veränderung ein, die die Kleingärten zu symbolischen Orten der deutschen Teilung machte.  

Um in die Kleingärten auf der anderen Seite der Mauer zu gelangen, ist ein sogenannter Passierschein notwendig.

„Zeige mir deinen Garten,
wenn es dein eigener ist,
und ich werde dir sagen,
was für ein Mensch du bist.“

Alfred Austin, britischer Schriftsteller und Gartenphilosoph, 1907


Weitere Eindrücke können im museums magazin 2025 unter www.museumsmagazin.com nachgelesen 
oder als Download heruntergeladen werden.